Ihr Herz raste... Sie war wahnsinnig nervös. Zitterte.
Ja, sie war sich sogar sicher noch nervöser zu sein, als zu ihrem – noch als Fuchs und nicht als Füchsin – ersten Kuss.
Es gab Dinge, die konnte man nicht vergessen.
Es war nicht, weil sie mit Reika und Mia ein Bad nehmen würde. Den Gedanken hatte Sierra kurz verfolgt, doch selbst als Fuchs hätte sie das nicht wirklich gestört. Es war ein Bad, nicht mehr. So, jetzt unter ''Mädchen'' aller Art, war es noch entspannter. Zudem war sie davon überzeugt längst zu alt zu sein, als sich von einem simplen Bad so ''wuschig'' machen zu lassen.
Nein, definitiv nicht.
…
Es war die Situation drum herum.
Sierra hatte es ja von Mia gehört... Sie wollte Reika nicht verfrüht ihrer Vergangenheit aussetzen. Dass sie aber so gezielt diese ''junge Rolle'' unterstützte, war mehr, als die Füchsin erwartet hatte. Immerhin war sie der Meinung, dass Reika im Geiste 8 Jahre alt wäre... Kein Kleinkind.
Es war einfach die Vorstellung... Reika mit einem Schnuller. Mia als Mutter. Bildete sie sich das ein oder war das Bild irgendwie seltsam?
Nein, es war aber auch nicht die Tatsache, dass es so war.
In dem Moment, in dem Mia Reika angesehen und versprochen hatte, einen Schnuller zu besorgen... Da hatte sich Sierra beinahe mit angesprochen gefühlt. Was hieß beinahe? Sie hatte es sich vorgestellt und es als nicht schlecht beurteilt.
Nein. Gut.
Was war nur los? Sie fürchtete sich quasi in dem Moment davor sich selbst zu verlieren.
…
Ja, sie hatte sich erlaubt ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Das war ja auch in Ordnung. Das Kleid anzuprobieren, sich zu schminken, sich schlicht ''hübsch'' zu machen... Peinlich, aber als Mädchen durchaus vertretbar.
Nichts, wofür sie sich irgendwann wirklich schämen musste.
Doch das?
Hatte sie bei Mia deswegen schlafen wollen? Weil sie auch so behandelt werden wollte? Reizte sie das?
Nein. Sie wollte bei Mia schlafen, weil sie nicht allein schlafen wollte. Doch im Prinzip lehnte es doch genau an das an... Zusammen in einem Bett schlafen, Schnuller im Mund... Es strahlte eine so unglaubliche Ruhe und einen Frieden aus, dass Sierra sich auch unter eigenem Zwang nicht auf etwas anderes konzentrieren konnte.
Es machte sie verrückt, weil sie es nicht leugnen konnte. Doch lag dies an ihrer Gestalt oder war das schon vorher? Wenn ja, was hieß das dann? War sie damals schon so ein Feigling gewesen? War es pervers? Was stimmte nur nicht mit ihr?
…
Sie war so verzweifelt, dass sie am liebsten geheult hätte. Zitterte sie vorher schwach, so jetzt wie Espenlaub.
…
Sie atmete tief durch... Einmal... Zweimal...
Es war nichts los. Ja, es reizte sie. Schön. Doch der Reiz allein war keine Entscheidung. Reika war in der Rolle, weil es nun mal so war. Sie selbst wäre es, weil sie es wollte. Solange sie es nicht aussprach, spielte es keine Rolle. Sie war ein Fuchs im Körper einer Füchsin. Das war schon verrückt genug. Alles andere würde sie einfach schlicht und ergreifend ignorieren.
Jetzt konnte sie sogar wieder lächeln...
…
Bis sie Reika sah. Sie hatte inzwischen aufgegeben ihr Nachthemd alleine über den Kopf zu ziehen und sah nun mit einem Blick, der unschuldiger als kleine Häschen war, nach Hilfe suchend zur Tür. Das Wasser lief noch, es hätte wahrscheinlich noch Stunden laufen können.
Reika war... Beneidenswert? Diese kindliche Unschuld so direkt vor Augen zu sehen, bei jemanden, der zumindest körperlich älter war, war... Unfair.
…
Sierra schüttelte den Kopf. Sie war ein Freedom Fighter. Ja, es war ruhig im Moment. Doch noch lange kein Grund sich deswegen gleich so abstürzen zu lassen.
…
Letztendlich zog Sierra den Pullover über den Kopf – problemlos – und aus einer alten, männlichen Gewohnheit roch sie auch umgehend daran... Ebenso umgehend streckte sie den jedoch wieder vor sich... Leicht verqualmt war gar kein Ausdruck.
Sie sah sich um und entdeckte etwas, was wie ein Hand geflochtener Wäschekorb aussah. Eine Sekunde später war der Pullover darin verschwunden.
…
So stand sie da jetzt. So wie... Gott? Skorpia sie geschaffen hat... Dieser Gedankengang ließ sie lächeln. Die Streifen waren über den ganzen Körper verteilt und kamen jetzt so richtig zur Geltung. Sie war erleichtert festzustellen, dass sie sogar noch an derselben Position war.
Das Wasser... Musste ertragen werden. Ging ja nicht anders. Sie würde sich verkrampfen, sie würde schreckliche Panik erleiden, aber das war ja noch Sekunden entfernt.
…
Die Füchsin versuchte ihren Selbsthass abzuschütteln und ging einen Schritt auf Reika zu, behutsam. Sie hoffte so ''frei'', wie sie nun war, weniger bedrohlich zu wirken. Als sie Reikas Blick auf sich zog, stoppte die Füchsin aber noch einmal.
''S... Soll ich dir helfen?''
Reika blinzelte... Sah zur Seite. Zum Wasser... Zur Tür.
Den Daumen direkt wieder zum Mund.
Nickte jedoch... Leicht, kaum sichtbar.
…
Ungewollt musste Sierra jetzt daran denken, in welcher Situation sie das letzte Mal ein Mädchen ausgezogen hatte, verwarf das aber wieder. Immerhin verdrängt das die vorigen Gedanken.
…
Vorsichtig griff Sierra nach dem Saum von Reikas Nachthemd, hob es langsam nach oben und Reika mit einem winzigen Ruck über den Kopf.
Lächelnd betrachtete Sierra Reika, wie die sich die Haare aus dem Gesicht schüttelte und sprach sie nun direkt an.
Hmm... Kleinkind?
''Wo~ollen wir dann?''
Sie zog den ersten Vokal so spielerisch, wie sie konnte, in die Länge und reichte Reika ein weiteres Mal die Hand.